Pt 5: Halbzeit

Mit nichts und niemandem and meiner Seite sitze ich eingekuschelt in meinem Schlafsack auf einem Berghang zwischen Halmen und Sträuchern und schaue zu wie der orangene Himmel langsam hinter den Bergen zieht und es allmählich dunkel wird. Der Wind raschelt durch das hohe Gras, ein leises rauschen enttarnt eine nahe gelegene Wasserquelle und einige Insekten geben sich durch ihre Laute zu erkennen; wenn „Natur“ ein Lied wäre, dann ist es das, was die Stille um mich herum sanft bricht. Während es kälter und dunkler wird, suche ich in mir nach Zeichen von Angst und Einsamkeit, doch alles was mich erfüllt ist ein überwältigendes Gefühl von Frieden und Ruhe. Was folgt ist eine schlaflose Nacht, in der die Ereignisse der letzten fünf Monate in meinem Kopf abspielen, während der strahlend helle Mond über mir vorbeizieht. Erst als die Strahlen der Morgensonne mich aufwärmen, schlafe ich ein.

Fast ein halbes Jahr meines FSJs ist jetzt rum und es war letzte Woche schon Zeit für unser Zwischenseminar. Wir flogen dafür nach Südafrika, wo es auf einer Farm mitten zwischen den Bergen außerhalb einer kleinen Stadt in der Nähe von Kapstadt stattfand. Wir wurden am ersten Abend gefragt, unsere Handys abzugeben, damit wir für die kommenden fünf Tage „disconnecten“ konnten , was nicht so einfach war, denn obwohl viele von uns behaupteten nicht abhängig zu sein, fanden wir doch ganz schön viele Gründe es behalten zu müssen. Erstaunlich eigentlich, für wie viele Sachen wir uns heutzutage auf unser Handy verlassen können: Kamera, Musik, Taschenlampe und noch viele weitere nützliche Dinge, darauf durften wir in dieser Zeit verzichten. Zeit, die den meisten von uns übrigens nur noch durch das Handy angezeigt wird, was wegen unseres verlorenen Zeitgefühls für die ein oder andere Verspätung gesorgt hat.

Eins der Übungen war es, sich eine Nacht alleine auf den Weg zu machen und sich irgendwo auf dem Berg einen ruhigen Ort zu suchen, um dort die letzten Monate unseres FSJs reflektieren zu können. Die Seminarleitung störte es bei der Ankündigung dieser Aufgabe nicht, dass es den ganzen Tag geregnet hatte. Obdachlose Menschen müssten auch bei jedem Wetter draußen schlafen, in noch viel gefährlicheren und schmerzhafteren Umständen, so die Antwort auf einige Proteste. Überraschenderweise gab es niemanden der sich weigerte dieses Erlebnis auf sich zu nehmen und viele von uns freuten uns richtig auf die Nacht. Zurecht, denn es war eine sehr wertvolle und einmalige Erfahrung.

Die Tage verbrachten wir hauptsächlich damit, uns über unsere Einsatzstellen auszutauschen und verschiedene Projekte oder Interviews zu selbst ausgewählten Themen passend zu Südafrika und Namibia zu präsentieren. Es wurde viel diskutiert, etwas provoziert, die Diskussionen gaben mir jedenfalls viel, worüber ich mir Gedanken machen konnte und es auch jetzt immer noch tue.

Leider sind viele Freiwillige zurzeit sehr unzufrieden und überlegen ihren Dienst abzubrechen. Sie fühlen sich in ihrer Position als deutsche Freiwillige im südlichen Afrika unwohl, als würden sie den Menschen respektlos gegenübertreten, weil sie ihre Sprache nicht sprechen, als nähmen sie den Einheimischen ihre Arbeitsstellen weg, als würden sie der Kultur mehr Schaden anrichten als dass sie in irgendeiner Weise helfen. Wie helfe ich denn eigentlich dem Land und ihren Menschen durch meinen Dienst?

In meiner Position an einer deutschsprachigen Schule fühle ich mich nicht so als würde ich irgendjemandem seinen Job klauen, erstens weil die Kinder deutschsprachige Personen brauchen um die Sprache einfacher erlernen zu können, zweitens weil sich die Schule keine bezahlten Arbeitskräfte leisten kann. Auch Freiwillige an anderen Einsatzstellen hier im südlichen Afrika sollten das positive eines solchen Freiwilligendienstes nicht vergessen. Ich habe keinesfalls das Gefühl, das Namibia und ihre Kinder durch mich besser werden und das bilden sich, glaube ich, nur wenige Freiwillige ein. Wir sind einer von vielen, beliebig austauschbar, in einem halben Jahr steht schon wieder jemand anderes in meiner Position. Das besondere an uns ist nicht dass wir aus einem anderen Land kommen, sondern dass wir einfach menschlich sind, jeder von uns einzigartig in dem was wir als Person bringen können, und auch wenn die Kinder es gewohnt sind, dass jedes Jahr neue kommen, bauen sie zu uns eine Beziehung auf. Für die Zeit werden wir zu einer Vertrauensperson, zu jemanden der ihnen Zeit schenkt die ihre Familien ihnen vielleicht nicht immer bieten können, auch wenn ich nur einmal einem Kind mit einer Schulaufgabe behilflich sein konnte, hätte sich das Jahr für mich schon gelohnt. Warum dann nicht einfach genau das in Deutschland tun?

Ein FSJ im Ausland ist zugegeben sehr eigennützig. Wir möchten eine neue Kultur kennenlernen, unseren Horizont erweitern und so weiter und so fort. Und weil uns in Deutschland dazu die finanziellen Mittel gegeben sind, können wir das doch ausnutzen. Klar können unsere Arbeitsstellen auch von lokalen Menschen erledigt werden, aber hier gibt es nun mal keine Organisationen die ihnen Geld und Mittel dafür zur Verfügung stellen. Mittlerweile bauen einige Organisationen ein Coming In Programm auf, indem sie Freiwillige aus anderen Ländern wie Namibia nach Deutschland holen. Für die Zukunft hoffe ich, dass solche Programme sich gut etablieren, damit jungen Menschen überall auf der Welt eine solche Möglichkeit angeboten werden kann und ein richtiger, ausgeglichenerer Kulturaustausch stattfinden kann.

Nach meinem ersten halben Jahr hier fühle ich mich richtig wohl, ich habe Spaß an meiner Arbeit und fühle mich in Namibia auch richtig zuhause. Wer weiß, vielleicht werden meine Gedanken über das was ich tue eines Tages auch vom negativen überwältigt werden, aber bis dahin freue ich mich weiterhin auf die kommende Zeit und schätze mein Glück, hier sein zu können.

Pt 4: Soupkitchen

,,Was machen sie hier?“, fragt einer der Herren Kapepo auf oshiwambo. Wir, eine Gruppe von überwiegend weißen Leuten, stehen mitten in Katutura zwischen Wellblechhütten aus denen uns neugierige Gesichter beobachten. Draußen sitzen nur Männer und reichen Plastikkannen rum, mit einem selbstgebrauten Getränk, dessen Zutaten mir auch nach dem Probieren noch ein Rätsel sind. Ein paar von ihnen möchten ein Foto mit uns, der Anblick weißer Menschen in ihrem Viertel ist offensichtlich ein seltener. Die Frage was wir hier machen ist also ziemlich berechtigt.

Kapepo, der in Katutura aufgewachsen ist, und den gefühlt jeder dort kennt und respektiert, leitet eine Suppenküche. Jeden Sonntag wird das Essen von jemandem gesponsert und es kommen über hundert Kinder aus der Gegend zum Community Centre, wo für sie gekocht wird. Während die Kinder auf das Essen warten, wird mit ihnen gespielt, gelesen, geredet oder unfreiwillig von den freiwilligen Helfern die Haare zum Frisieren angeboten. Diesen Sonntag gingen wir dort zusammen hin, um Teil des Ganzen zu sein.

Bei der Suppenküche geht es nicht nur darum, die Kinder zu füttern und sie anschließend mit gefüllten Bäuchen wieder nach Hause zu schicken. Sie sollen grundlegende Dinge wie Hände waschen vor dem Essen oder Teller abwaschen danach, ausführen und mit nachhause nehmen, da Hygiene in vielen Haushältern anscheinend keine Selbstverständlichkeit ist.

Nach der Suppenküche bot uns Kapepo an, mit ihm noch ein bisschen durch Katutura zu spazieren, um einen Einblick in das Leben der Menschen dort zu bekommen. Er forderte uns vorher dazu auf, unsere Wertsachen einzupacken und gut darauf Acht zu geben. Ich bin mir nicht sicher was er von uns erwartet hatte bezüglich unseres Verhaltens bzw. was er sonst so erlebt, wenn er Deutsche durch sein Viertel führt, jedenfalls empfand er es für notwendig uns klar zu machen, dass wir nicht durch einen Zoo laufen und die Einheimischen hier ganz normal ihr Leben leben.

Wir machten uns also in glühender Mittagshitze auf die schmalen Wege zwischen den dicht bebauten Wellblechhütten, aus denen uns einige freundlich grüßten und andere skeptisch nachschauten. Er erklärte uns wie das mit dem Wasser und der Elektrizität läuft und erzählte so einiges über den Alltag der Leute die dort leben.

Als wir vor einer Bar Halt machten, wo sich eine Runde Männer Plastikkannen rumreichen, möchten einige von ihnen mit uns Fotos machen. Kapepo erklärt uns, dass sie es nicht gewöhnt sind, so viele weiße Menschen auf einmal in ihrer Gegend zu sehen, weil sich die weißen Leute nicht ins Township trauen.

Das unsere Anwesenheit für manche Leute dort nicht nachvollziehbar war, ist verständlich. Wenn eine Gruppe schwarzer Menschen aus dem Township durch ein reiches weißes Viertel zieht, würde dies bestimmt auch Aufsehen erregen. Denn es ist nun leider immer noch so, dass neben der großen Spanne zwischen arm und reich, die Hautfarbe hier oftmals doch noch viel Einfluss auf die Einstellung gegenüber anderer Menschen haben kann.

Kapepo lud uns ein, den Herren eine Runde des selbstgebrauten Getränks auszugeben, nicht aus Mitleid, sondern lediglich um die „locals“ in ihren Geschäften zu unterstützen. Darauf wird auch in der Suppenküche viel Wert gelegt, indem möglichst viele der Zutaten für das Essen auf der Straße von Einzelhändlern und nicht in den großen Supermärkten gekauft werden.

Dass alle mindestens schon zur Mittagszeit anfingen zu trinken, schien niemanden zu wundern. Aus allen Hütten und Autos spielte laute Musik und überall wurde Fleisch gekocht. Die Hitze ließ die katuturische Welt langsamer drehen, und die Katuturer wirkten in ihrer einfachen Umgebung an diesem Tag, trotz ihrer eventuell nicht so einfachen Umstände, von Zufriedenheit erfüllt.

Eine wertvolle und wichtige Erfahrung gemacht zu haben, vor allem, weil viele der Kinder der Schule in Katutura leben.

Wenn Sie daran interessiert sind eine Mahlzeit in der Suppenküche zu sponsern, können Sie dies gerne über mich machen und mich dafür hier kontaktieren: morgaine@boyles.de

Pt 3: Alltag

Es ist kurz vor sechs und ich laufe rüber zum Hostel, um die Kinder zu wecken. Draußen ist es noch dunkel und kühl. Während die Kinder sich für die Schule fertigmachen, bereite ich das Frühstück vor. Um 07:10 Uhr fängt der Unterricht an und die letzten Kinder eilen noch schnell in die Küche um sich ein Obst mitzunehmen. In aller Ruhe wasche ich ab und habe danach noch einige entspannte Stunden Zeit, bis es für mich mit der Arbeit weitergeht.

Die vierte Arbeitswoche liegt jetzt hinter mir, und ich bin froh nur einmal die Woche Weckdienst haben zu müssen. Ansonsten helfe ich an einem weiteren Morgen beim Abwasch und habe die restlichen Vormittage frei. Montags und dienstags begleite ich zusätzlich die dritte Klasse zum ,,Spieleturnen“, oder wie die meisten Leute es nennen, zum Sportunterricht. Mittags holen wir das Mittagessen aus der Küche, was seit neustem von Auszubildenden Köchen an der Schule zubereitet wird. Außer montags wo es Fisch gibt, wird fast täglich Fleisch serviert, eins der Hauptbestandteile der namibischen Küche.

Nach der Mittagspause geht der Hauptteil meiner Arbeit erst richtig los. Leo und ich helfen den Kindern bei ihren Hausaufgaben und spielen anschließend mit ihnen, bis es Zeit ist das Abendessen vorzubereiten. Die jüngeren Mädchen sind sehr hilfsbereit und bieten uns dann freundlicherweise meistens ihre Unterstützung an. Zum Essen werden die Kinder gerufen mittels eines lauten Metallrohrs, worauf mehrmals brutal geschlagen wird, damit es ja niemand überhört. Eins der Mädchen hat neulich so lange draufgehauen bis jeder letzter zum Essen erschienen ist – und bis das Rohr entzweibrach.

Nach dem Essen gibt es zwei bis drei Mal die Woche eine Abendrunde, wo zum Abschluss des Tages gebetet und gesungen wird. Die Kinder singen unglaublich schön und spontan mehrstimmig, es hört sich fast wie ein richtiger Gospelchor an. Anschließend werden die Kleinen ins Bett gebracht und um 21Uhr werden die Türen zum Hostel geschlossen.

Die Arbeit hier macht mir sehr viel Spaß und ich habe das Gefühl hier langsam richtig angekommen zu sein. Ich bin gespannt auf die kommenden Wochen und auf das, was mich demnächst noch so alles erwartet.

 

Pt 1: Ankommen

Voller Vorfreude auf mein kommendes Jahr in Namibia mache ich mich auf dem Weg raus aus meiner ,,sonnigen“ Heimat Berlin. Daran glaube ich zumindest, bis ich erfahre dass eine Bombe aus dem 2. Weltkrieg gerade zu dem Zeitpunkt entschärft werden muss, in dem mein Flieger starten soll. Egal, denke ich mir, dann komme ich eben eine Stunde später an. Zu blöd, dass ich durch diese eine verlorene Stunde meinen Anschlussflug nach Windhuk verpasse. Egal, denke ich mir wieder, dann nehme ich eben einen anderen Flug. 30 Stunden später, endlich an meinem Ziel angekommen, muss ich feststellen, dass einer meiner Koffer fehlt. Der kommt heute Nachmittag an, so werde ich informiert, das stimmt aber nicht ganz, denn ich erhalte ihn erst zwei Tage später.

Alles nicht so schlimm, meine Zeit hier bisher war dennoch wunderschön. Zusammen mit den anderen Freiwilligen bin ich auf dem Schulgelände in einem kleinen, gemütlichen Häuschen untergebracht. Die Schule liegt etwas abgelegen von der Stadt, mit einem 360° Blick auf die umliegenden Hügel und Berge, was mich sehr an Kapstadt erinnert. Wir sind letztens auf einen dieser Hügel spaziert, um uns oben an der untergehenden Sonne zu erfreuen und der Anblick durch die Bäume hätte ohne Zweifel ein Bild aus einem Touristenbuch für Land x in Afrika sein können. Hat nur noch eine Giraffe die an den Blättern der Bäume knabbert gefehlt. An Tieren habe ich bisher nur Affen und Kakerlaken gesehen, die ich auch bereits aus Kapstadt kenne.

Die Menschen sind hier übrigens sehr nett, wir wurden herzlich willkommen geheißen und haben schon Einweisungen in unsere Arbeitsbereiche erhalten. Ich werde im Hostel bzw. im Internat aushelfen und freue mich schon, die Kinder heute Abend und morgen pünktlich zum Beginn des letzten Schultrimesters kennenzulernen. Die Schule ist eine Waldorfschule und daher ziemlich deutsch.

Windhuk ist generell sehr deutsch, so mein erster Eindruck, was sich allein schon an den Straßennamen erkennbar macht. Als wir gestern in die Schönleinstraße bogen, konnte ich trotzdem leicht den Unterschied zur Schönleinstraße in Berlin sehen. Die Tatsache, dass wir zu siebt in einem Fünfsitzer saßen, verdeutlichte diesen stark. Nun bin ich auf meine erste Woche gespannt und hoffe in kürze über weitere tolle Ereignisse berichten zu können.

Pt 2: Katutura

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Es ist Sonntagmorgen und wir machen uns zusammen mit der Hostelmutter und ihrer Tochter auf dem Weg nach Katutura, ein wachsendes Township in Windhuk. Als erstes gehen wir zur Kirche und danach essen wir Kapana, so lautet der Plan. Wir machen vor einem großen Zelt halt, was für etwas Verwirrung sorgt, bis jemand sagt: „These people are so serious about Jesus, they´ll put up a tent and tell you it´s a church.“ Das ist also die Kirche, stellen wir fest und hören schon die Stimmen von 3 Predigern durcheinanderrufen. Die Frauen sind in ihren schönsten Kleidern angezogen und ich fühle mich in meiner Jeans etwas fehl am Platz. Ein Keyboardspieler und viele herrliche Stimmen sorgen für laute Musik und alle tanzen.

In Deutschland bestehen die Bewegungen in der Kirche hauptsächlich aus aufstehen, hinknien, hinsetzen, aber in dieser Kirche tanzten die Menschen mit einem solchen Charisma, dass man beinahe denken könnte, sie lebten ein problemloses Leben. Nach ein oder zwei Stunden ging es dann erst richtig los mit der Messe, wir waren jedoch schon so erschöpft, dass wir beschlossen weiterzugehen. Unser nächster Halt waren dann die Kapana Stände. Auf dem Weg dorthin passierten wir viele grillende Menschen; der Anblick vom schwarzem Schafsfleisch welches trist neben dem Schafsschädel dahinbriet war interessant anzusehen. Am Kapanamarkt angekommen, konnten wir beobachten, wie das Fleisch in kleinen Scheiben gebraten und dann in Zeitungspapier mit sogenannter Kapanaspice serviert wurde. Hinter den Ständen konnte man die riesigen rohen Rindfleischstücke sehen, kein appetitlicher Anblick für Vegetarier, was zum Glück keiner von uns war. Mit dem Kapana wurde ein scharfer Tomaten-Zwiebel Salat gegessen mit frittierten Teigbällchen, alles übrigens mit den Fingern. Es war nicht so hygienisch, dafür aber sehr lecker und auf jeden Fall ein must-see/ eat für jeden der mal in Windhuk unterwegs ist.